Elliott Carter

*  11. Dezember 1908

†  5. November 2012

von Henning Eisenlohr

Essay

Internationale Beachtung fand Elliott Carter erst im Alter von über vierzig Jahren aufgrund des Erfolges seines 1. Streichquartetts (1950/51). Das Werk wurde vor seiner Uraufführung in New York 1953 beim »Concours International de Quartours à cordes« im belgischen Liège mit dem 1. Preis ausgezeichnet; eine Aufführung in Rom 1954 machte Carter in Europa plötzlich berühmt und führte zu einem regen Kontakt mit Goffredo Petrassi, während das Werk in den USA sehr ambivalent aufgenommen wurde. Seither ist Carter vor allem für die an Charles Ives erinnernde Technik des »multiple layering«, der simultanen Präsentation verschiedener horizontaler musikalischer Stränge, bekannt.

Das plötzliche öffentliche Hervortreten des Komponisten zu Beginn der 50er-Jahre und einige Äußerungen Carters haben in der Sekundärliteratur zu der Annahme eines radikalen Schaffensbruchs um 1950, der abrupten Wandlung eines populistischen Neoklassizisten zum rücksichtslosen Modernisten, beigetragen (vgl. z.B. Danuser 1985, 31). Tatsächlich aber hat Carter bereits in den 30er-Jahren, als seine musikalische Sprache noch nicht gefestigt war, alle zentralen Aspekte seiner kompositorischen Ästhetik ausgebildet. Grundlegend für sein Schaffen ist eine kontinuierliche, ohne wirklich markante Brüche verlaufene ästhetische Entwicklung, deren Wurzeln in den verschiedenen Facetten der musikalischen Moderne der 20er-Jahre zu finden sind. Insofern ist ...